In den Sozialen Medien herrscht Entrüstung. Das Land steht vielleicht vor einer Ausgangssperre. Maßnahmen, die in Italien oder Frankreich bereits getroffen wurden und auch strengstens bewacht werden, könnten bald auch in Deutschland wirksam werden. Nun gibt es Menschen, die sind dafür, dass der Staat durchgreift und Menschen, die sind dagegen. Selbst Experten sind sich uneins, was effektiv ist. Wo die Freiheit des Einzelnen beschnitten wird und wo staatliche Kontrolle lebensnotwendig ist und aus der Bürde der Eigenverantwortung befreit. Die Zeit wird zeigen was wirksam geworden ist und bis dahin haben wir viel Zeit unsere Meinung kund zu tun. Die Stimmen werden laut. Entrüstung über Eltern, die mit ihren Kindern auf den Spielplatz gehen. Wut, wenn man Jugendliche sieht, die zusammensitzen und lachen und höchstwahrscheinlich den Ernst der Lage nicht erkennen können oder wollen. Fleißig werden Hashtags bedient und die Prominenten rufen auf: Bleibt Zuhause! Das ist richtig und gut so. Aber Zuhause bleiben heißt nicht, in der Filterblase zu bleiben. Nur auf dem Sofa zu sitzen, Nudeln zu futtern und einen weiteren Streamingdienst zu abonnieren. Immer wieder ist von Gemeinschaft die Rede. Von Verantwortung. Kontakte vermeiden, um niemanden zu gefährden. Zuhause ist es sicher, für einen Selbst und für die Lieben, die eigenen Eltern und die Großeltern. Aber vergesst bitte nicht: Nicht für jeden ist es Zuhause sicher. Nicht jeder kann sich zurücklehnen, sich aus Vorräten bedienen und entspannt Seele und Körper pflegen und vielleicht mal durch den Garten schlendern. Nicht jeder hat Lust darauf, aus dem Fenster zu singen oder an kreativen Online-Challenges teilzunehmen. Nicht jeder fühlt sich sicher in den eigenen vier Wänden. Viele Kinder und Jugendliche fliehen aus ihrem Zuhause in die Schule, auf den Spielplatz, in das Einkaufszentrum. Für viele Kinder sind die Stunden im Kindergarten oder der Schule die einzigen Stunden, die sie aus der Tristesse ihres Lebens befreit. Es gibt da draußen Kinder und Jugendliche und Frauen, die sind Gefangene in den eigenen vier Wänden. Gefangene tyrannischer und gewalttätiger Partnern. Gefangenen Drogen abhängiger Familienangehöriger. Überfordert von der Betreuung und Begleitung psychisch erkrankter Menschen. Gefangen in Armut, Verzweiflung, in verschimmelten Wohnungen. Gefangen in der Angst vor sexuellen Übergriffen und Missbrauch. Nicht jeder kann es sich Daheim kuschelig machen. Wenn nun alle Zuhause bleiben, dann kommt aus euren Filterblasen. Beweist Verstand, Herz und Mut und streckt eure Fühler aus. Wem könnte es schlecht gehen? Wer hält es kaum Zuhause aus? Wie könnt ihr diesen Menschen helfen? Macht die Tür nicht zu! Bleibt daheim, aber macht die Türen auf, kommt aus den Blasen und seid bitte aufmerksam. Bietet eure Hilfe an und zeigt, dass ihr da seid, dass ihr aufpasst, dass ihr helfen könnt. Schaut nicht weg, übt euch in Empathie, geht neue Wege in eurem Denken, in eurem Herzen. Passt gut auf euch und eure Umwelt auf. Gemeinschaft bildet sich auf dem kleinsten Raum und ihre Qualität bemisst sich an der Schutzfähigkeit ihrer schwächsten Glieder.