In meinen Zwanziger-Jahren datete ich einen Schönheitschirurgen. Einen kleinen, sehr höflichen Mann, der wenig Zeit hatte auf das Glück zu warten. Er hatte gerade eine Stelle als Assistenzarzt in einer renommierten Düsseldorfer Klinik angetreten und arbeitete sehr viel. Gingen wir abends gemeinsam ins Kino, schlief er während des Films ein. Trafen wir uns zum Essen in seiner Mittagspause, schaute er mich aus müden Augen an und sagte: Ich weiß genau, was du in 20 Jahren an dir machen lässt. Unsere Beziehung war nicht von Erfolg gekrönt. Schaue ich heute, über 20 Jahre später in den Spiegel, muss ich zugeben, der Mann hatte Recht! Bei mir sind es die Schlupflieder! Sie lassen mich müde und traurig aussehen, strahlen einen Hauch von permanentem Desinteresse am Gegenüber und der Welt aus. Ich bin mir sicher, nur Charlotte Rampling sieht damit verführerisch und entspannt aus. Ich sehe aus, als würde mein Kopf jeden Moment auf die Tischplatte knallen.
Es mag Frauen geben, die in Würde altern. Um deren Augen sich ein herrlicher Sonnenstrahlenkranz feiner Lachfältchen legt. Die grazil in wallenden Gewändern und mit wehendem silbrigen Haar durch ihren Garten schreiten und immer nach Provence und Freiheit duften. Bei mir hängt die Wangenpartie, mein ganzer Körper gibt sich der Erdanziehung hin, mein Gang wird schwer, als zöge es mich bereits zurück ins Innere der Erde. Das macht mich nicht froh.
Was wenn die Natur, die ich in mir spüre eine andere ist, als die, die Außen sichtbar wird? Ist es dann nicht authentisch mein Äußeres meinem Inneren anzupassen? Mein Haar so rosa zu färben wie ich mich fühle? Meine Gesichtskontur meiner inneren Haltung entsprechend zu straffen? Solange wir Kinder sind, freut sich die Welt mit uns, wenn wir uns verkleiden. Prinzessin oder Pirat, Löwe oder Krieger spielen. Der Jugend lassen wir es gelassen lächelnd durchgehen, die Tunnels in den Ohrläppchen. Metallstifte, die aus dem Körper ragen. Alle Drogeriemarkt-Farbe in den Haaren und im Gesicht. Contouring nach schlechten Youtube Tutorials. Die Jugend reist zu sich selbst durchs Ausprobieren. Äußere Veränderungen sind wichtig, um den Wesenskern zu finden, das Selbstbewusstsein zu stärken. Wenn wir dann in einem Alter sind, in dem wir ihn sicher in unserem Inneren wissen, dann beginnen wir uns dafür zu schämen, ihn Außen sichtbar zu machen.
Morgen lasse ich mir Wimpern kleben. Ich freue mich auf meinen neuen wachen Augenaufschlag. Der mein waches inneres Auge nicht versteckt. Alles andere wäre eine Täuschung der Gesellschaft, würde sie von meinem müden Blick auf einen müden Verstand schließen.